Mit Elan über die weiße Fläche

"Man könnte alle meine Bilder aneinander reihen. 500 lange Meter Malerei! Das geht, weil sie alle ein gewisse Kontinuität verbinden," sagt die Malerin Celina Jure. Die gebürtige Argentinierin, die in Düsseldorf lebt und in Neuss arbeitet, stellt zurzeit in der Versandhalle aus. Und was man dort zu sehen bekommt, ist ungewöhnlich. "Die Ausstellung stellt große Anforderungen und Erwartungen an das Publikum. Anstatt kleiner gerahmter Bilder, wird Kunst gezeigt, die durch ihre wandfüllende Größe und Machart nach besonderer Aufmerksamkeit verlangt," meint Kurator Robert Jordan. Mit Farbe und Elan verwandelt Künstlerin Celina Jure weiße Papierbahnen in großformatige Kunstwerke.

Celina Jure arbeitet groß und auf die Räume bezogen, in denen die Bilder gezeigt werden. Nicht ganz einfach ist ihr die Auswahl für die lange Wand gegenüber der Fensterfront in der Versandhalle gefallen. Mehrere lange Papierbahnen von über zehn Metern bedeckten den Boden noch kurz vor der Eröffnung. "Bild und Architektur sollen miteinander in Dialog treten," erklärt die Malerin und experimentiert mit verschiedenen Modellen der Hängung. Wie ein bunter Faden erobern sich bewegte Pinselspuren Kapriolen schlagend Meter für Meter nicht nur den Bildraum, sondern auch den Realraum.

Celina Jures Arbeiten entstehen auf dem Boden ihres schlauchartigen Atelier. "Die Bewegung meines Körpers bestimmt die Art wie ich die Farbe auftrage," kommentiert sie ihr Vorgehen. Jure bewegt sich beim Malen tänzerisch und oft zu Musik über das Papier. Ihre Bilder entwickeln sich über einen längeren Zeitraum, in dem die Malerin immer wieder mit jeweils neuer Farbe eine weitere Schicht aufbringt und das Bild um eine neue seismographische Spur ihrer emotionalen Befindlichkeit verlängert. Reicht die Länge des Ateliers nicht aus, wird der Anfang des Bildes einfach eingerollt, die Bahn am Ende weiter ausgewickelt.

Die Größe der Arbeiten machen es der Malerin unmöglich, das Ganze im Auge zu behalten. "Ich habe ein Verhältnis von Blindheit zu meinen Arbeiten, ich habe nur noch die Illusion von dem, was ich gestern malte", so Jure. Manches wächst ineinander, anders steht sich isoliert gegenüber, wird durch harte formale Einschnitte getrennt, dennoch ließen sich ihre Bahnen in endloser Fortsetzung denken. Jede neue Farbspur ist Zeuge des Augenblicks. "Farbe hat bei mir etwas mit Verlieben und Lust zu tun." Ton und Konsistenz müssen dabei stimmen. Manchmal tauscht Celina Jure Acryl gegen ein geschmeidigeres Gemisch aus Tinte und Terpentin, das andere Bewegungen erlaubt, die sich auch in anderen Formen ausdrücken. "Ich versuche mich beim Malen zu verlieren."

Wenn die Malerin ihre Werke nach mehreren Arbeitsphasen als fertig erklärt, sie vom Boden aufhebt und sie ihr von der Wand entgegenblicken, dann sieht Jure sie selbst zum ersten Mal in voller Größe und Ganzheit. Mit ähnlichem Erstaunen wie die Künstlerin selbst wird das Publikum rechnen können. "Celina Jure - Malerei" in der Versandhalle, Stadtparkinsel, bis 27. April, dienstags bis samstags von 16 bis18 Uhr, sonntags von 11 bis 16 Uhr. Jutta Saum

Quelle: NGZ